Der Siebenschläfer - Glis glis


(aus Brehms Tierleben)


Der Siebenschläfer ist der größte einheimische Bilch. Er wird 16 cm lang, 13 cm mißt der Schwanz. Sein Pelz sieht einfarbig blaugrau aus. Sein Verbreitungsgebiet reicht von den Pyrenäen bis nach Turkestan, vom Mittelgebirge in Deutschland bis nach Sizilien und Griechenland. Er meidet das Randgebiet der Nord- und Ostsee. Nach England wurde er eingeführt. Er gehört zu den Tieren, die dem Namen nach weit besser bekannt sind als von Gestalt und Aussehen. Wer sich mit der frühen Geschichte beschäftigt hat, der kennt diese Schlafmaus als besonderen Liebling der Römer, die für seine Hege und Pflege viel taten. Eichen- und Buchenhaine umgab man mit glatten Mauern, an denen die Siebenschläfer nicht emporklettern konnten. Innerhalb eines solchen Revieres legten die Römer Höhlen an zum Nisten und Schlafen für die Siebenschläfer. Mit Eicheln und Kastanien fütterte man die Bilche an, um sie zuletzt in irdenen Gefäßen oder Fässern, Glirarien* genannt, noch besonders zu mästen. Wie uns die Ausgrabungen in Herculaneum gezeigt haben, waren die zur letzten Mästung bestimmten Glirarien kleine, halbkugelige, oben mit engem Gitter geschlossene Schalen*. In ihnen sperrte man mehrere Siebenschläfer zusammen und versah sie im Überfluß mit Nahrung. Nach der Mästung kam der Braten als eines der leckersten Gerichte auf die Tafeln der Schlemmer.

Der Siebenschläfer bewohnt am liebsten trockene Eichen- und Buchenwaldungen. Den Tag über hält er sich verborgen in hohlen Bäumen, Baumlöchern und in Erdlöchern. Gegen Abend kommt er aus seinem Versteck hervor, streift umher, sucht sich seine Nahrung, kehrt während der Nacht ab und zu in seinen Schlupfwinkel zurück, um zu verdauen und auszuruhen. Bei seinen nächtlichen Ausflügen zeigt er sich als ein lebhafter, behender Bursche, der gewandt auf den Bäumen oder an Felsenwänden umherklettert.

Wenige Nager dürften dem Bilch an Gefräßigkeit gleichkommen. Er frißt, solange er nur fressen kann. Eicheln, Bucheckern, Haselnüsse bilden seine Hauptnahrung, Walnüsse, Kastanien, süßes und saftiges Obst sucht er sich ebenso gern. Er verzehrt auch jedes kleinere Tier, plündert Nester und würgt junge Vögel ab. Auf seinen Nahrungszügen setzt er sich beinahe jede Minute einmal nach Eichhörnchenart auf das Hinterteil und führt etwas mit den Vorderpfoten zum Mund. Beständig hört man das Knacken von Nüssen, die er zerbricht, oder das Fallen von ausgefressenen Früchten, die er herabwirft. Gegen den Herbst hin strotzt er von Fett, frißt aber noch so lange wie möglich. In rauhen Gebirgsgegenden fällt er im August, in der wärmeren Ebene erst gegen Oktober in tiefen Schlaf. Im Freien erwacht der Bilch erst sehr spät im Frühjahr, selten vor Ende April. Somit dauert sein Winterschlaf sieben Monate lang. Er führt darum seinen Namen mit gutem Recht.

Baummarder, Iltisse, Wildkatzen, Wiesel und Eulen sind seine Verfolger. Wenn er auch selbst gegen die stärksten Feinde mit viel Mut sich wehrt, wütend nach ihnen beißt und sogar die schwachen Krallen bei der Verteidigung zu Hilfe nimmt: Er muß ihnen doch erliegen. Dort, wo der Siebenschläfer sehr zahlreich vorkommt, wird er weggefangen, indem man Hanfkörner in einen Kasten mit Falltür wirft. Sobald man an den unter Obstbäumen liegenden zerbissenen Früchten das Vorhandensein eines Siebenschläfers festgestellt hat, richtet man den Schlag fängisch. Unser Bilch geht dem Hanf nach, wirft den Schlag ein und ergibt sich der Gefangenschaft. Er schläft, anstatt den Kastendeckel aufzuheben. Auch gräbt man teilweise mit Obst gefüllte Fässer in die Erde, die oben ein Rohr als Zugang haben, in dem Eisendrähte so befestigt werden, daß sie wohl das Hineinschlüpfen, nicht aber das Herauskommen des Siebenschläfers gestatten. Hier fangen sich die Tiere oft in so großer Menge, daß mancher Jäger im Herbst 200 bis 400 Stück erbeuten kann.

Der Siebenschläfer wird selten in Gefangenschaft gehalten. Sein Wesen ist nicht gerade munter. Er befindet sich fortwährend in gereizter Stimmung, befreundet sich nicht mit seinem Pfleger und knurrt in schnarchender Weise jeden wütend an, der ihm näher kommt.** Wenn jemand ihn ungeschickt anfaßt, beißt er sofort zu und zeigt damit an, daß er sich keineswegs stören lassen will. Nachts springt er unruhig im Käfig umher. Er muß sorgfältig gepflegt und reichlich gefüttert werden, damit er sich nicht durch den Käfig nagt oder einen und den anderen seiner Gefährten auffrißt.

Eine alte Bauernregel sagt: ”Ist Siebenschläfer Regentag, so regnet´s vierzig Tag danach.” Im Kalender finden wir Siebenschläfer am 27. Juni. Vielfach wird angenommen, daß diese alte Wetterregel mit dem Siebenschläfer, dem Tier, etwas zu tun hat. Das ist jedoch nicht der Fall, sondern es handelt sich um eine katholische Heiligenlegende. Daher auch die Siebenschläferkapelle im Rottal, die keineswegs der Bilchverehrung dient.


Wo der Siebenschläfer in Europa lebt.

 



* Wie man in Was ist ein Glirarium nachlesen kann, irrt sich Brehm hier. Das irdene Gefäß heißt dolium, wie die meisten römischen irdenen Gefäße. Das Glirarium ist der Eichen- oder Buchenhain. In England ist ein solches Siebenschläfer-Dolium bei Ausgrabungen in Verulamium (St. Albans) gefunden worden.

** Von klein auf an Menschen gewöhnte Siebenschläfer sind sympathische Haustiere.

Zurück zum Überblick:

Überblick