Ein römisches Bilchrezept


Glires: isicio porcino, item pulpis ex omni membro glirium trito, cum pipere, nucleis, lasere, liquamine farcies glires, et sutos in tegula positos mittes in furnum aut farsos in clibano coques.
(Apicius: De Re Coquinaria)

Siebenschläfer: mit gehacktem Schweine- und Siebenschläferfleisch füllen, mit Pfeffer, Nüssen (Pinienkernen?), Laserwurzel und Liquamen füllen, auf Ziegel legen und im Backofen oder im Clibanus garen.


Der dtv-Brockhaus identifiziert die Laserwurzel als:

"Laserkraut, Laserpitium, Doldenblüter-Gatt. mitteleurop. Stauden, z.B. Breitblättriges L. (Laserpitium latifolium), würzig, bis 1,5 m hoch, mit bis 20 cm breiten weißen Blütendolden."

Waverley Root (Das Mundbuch des Waverley Root) schreibt dagegen unter dem Stichwort Silphion:

"Silphion, wie die Pflanze bei den Griechen hieß, die bei den Römern Laserpitium hieß und nicht mit Silphium zu verwechseln ist, einer amerikanischen Gattung von Korbblütlern. Das antike Silphion scheint eine Umbellifere gewesen zu sein, wenn man nach den überlieferten Darstellungen urteilen kann, aber trotz zahlreicher erhaltener Beschreibungen und der Bemühungen vieler Generationen von Botanikern und Historikern gelang es nicht, die Pflanze zu bestimmen. Unser Wissen beschränkt sich darauf, daß Silphion in der Antike eine berühmte Heil-, Würz und Gemüsepflanze war, aus deren Stengeln und Wurzeln ein kostbares Gummiharz gewonnen wurde, dessen Export seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. Kyrene auf der Cyrenaika zu einer reichen Stadt machte. Der Geruch des Silphions soll intensiv, doch angenehm gewesen sein im Unterschied zum Geruch des Steckenkrauts, aus dem das Gummiharz Asa foetida gewonnen wird. Offenbar durch Raubbau war es mit der Silphionproduktion um 500 n. Chr. fast ganz vorbei, und in der Folge scheint es dem Menschen recht bald gelungen zu sein, die Pflanze mit Stumpf und Stiel auszurotten."


Liquamen oder Garum war das Ketchup der Römer, eine Art Fischsoße, hauptsächlich aus Eingeweiden. Glaubt man Waverley Root, so läßt sie sich durch Sardellenpaste ersetzen. In der Berliner Morgenpost vom 9./10.11.96 heißt es:

"Selbst wenn man auf die legendäre griechische Fischsoße (Garum oder Liquamen) oder das damals in der Cyrenaika wachsende Silphium verzichten muß - Nero soll das letzte verspeist haben: In asiatischen Supermärkten gibt es eine ähnliche Fischsoße (200 Milliliter kosten zirka vier Mark), und für das legendäre Silphium aus Nordafrika kann man heute das Asa foetida aus Zentralasien verwenden. Dieses interessante, aber penetrant riechende Gewürz, das auch als Stinkasant und Teufelsdreck bezeichnet wird, sollte allerdings nur in winzigen Mengen benutzt werden. Man kann es in Apotheken bestellen: 20 Milliliter Tinktur kosten etwa 15 Mark. Als Pulver erhält man Asa foetida (auch "Hing" oder "Yellow Powder" genannt) in indischen Lebensmittelläden oder bei "Asia Foodland" an der Wilmersdorfer Straße 60/61 in Berlin-Charlottenburg: 50 Gramm kosten dort 0,99 Mark."

Unter http://www.phil.uni-erlangen.de/~p2latein/petron/zwischengerichte.html gibt es weitere Informationen über die Geschichte und Herstellung von Garum.


Zum Thema "porcino" schreibt Agnes Hovinga aus Holland:

hallo,

zufallig, auf der suche nach mehr info uber der Bilch, denen wir in Frankreich und Italien sehr oft mitmachen, nicht immer gunstig ;-), besuchte ich Ihre website uber den Bilch. Sehr schon und informatief, komplimente.

im Romisches rezept in Latein ist das dritte wort "porcino" in der Italienische Sprache von heutzutage bedeutet porcino: Steinpilze. Konnte dass auch nicht im Romisches rezept gemeint werden, statt schweinefleisch?

Also, mein Lateinwörterbuch kennt nur die Bedeutung "Schweinefleisch". Aber man soll dem Bilch ja sowieso nicht "mitmachen", Frau Hovinga, gunstig oder nicht!


Achten Sie übrigens mal drauf: Vor vielen Jahrhunderten hat jemand das glis der lateinischen Rezepte ahnungslos als "Haselmaus" übersetzt. Ein kompletter Blödsinn natürlich; an der winzigen Haselmaus ist praktisch nichts Eßbares dran. Aber seitdem wird dieser Fehler zuverlässig in jedem Buch und jedem Artikel über römische Küche nachgebetet. So schreibt einer vom anderen ab.

Bei Ausgrabungen in York (Nordengland) wurden anstelle der erwarteten Siebenschläfergebeine einige Knochenfragmente des Gartenschläfers (Eliomys quercinus) gefunden. Es gibt in England keine Gartenschläfer und auch keine Anzeichen für ihr Vorkommen in früheren Zeiten. Der einzige in England heimische Bilch ist die Haselmaus (von lokal verbreiteten, ausgesetzten Siebenschläfern abgesehen, dazu mehr unter Die Siebenschläfer von Tring). Die plausibelste Erklärung ist, daß Siebenschläfer für die Küche auf den feuchtkalten Außenposten des Römischen Reichs nur schwer zu beschaffen waren und man mit den kleineren Gartenschläfern auskommen mußte, die aus Nordgallien importiert wurden. Ein Martial-Epigramm, in dem ein Bilch als "aurea nitella", also golden, beschrieben wird, stützt diese Theorie: den grauen Siebenschläfer würden auch phantasievolle Dichter kaum als golden bezeichnen, der Gartenschläfer aber hat immerhin ein braunes Rückenfell. (Dieser Argumentation möchte ich mich nicht anschließen: ich gehe davon aus, daß mit "aurea nitella" die tatsächlich rundum goldbraune Haselmaus gemeint ist.)
(Quelle: T. P. O'Connor: The Garden dormouse Eliomys quercinus from Roman York. Journal of Zoology, 210A(4), 1986, S. 620-622)


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